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“Welt”-Journalist Yücel in der Türkei wegen “Terrorpropaganda” zu Haft verurteilt

Foto: AFP

Der “Welt”-Journalist Deniz Yücel ist in der Türkei wegen des umstrittenen Vorwurfs der “Terrorpropaganda” zu einer Haftstrafe von zwei Jahren, neun Monaten und 22 Tagen verurteilt worden. Vom Vorwurf der “Volksverhetzung” wurde er hingegen freigesprochen. Yücel kündigte an, gegen das Urteil in Berufung zu gehen. Außenminister Heiko Maas (SPD) sprach von einem “absolut falschen Signal”.

“Das ist ein politisches Urteil, wie die ganze Geschichte meiner Verhaftung politisch motiviert war”, schrieb Yücel in einer ersten Reaktion in der “Welt”. Seine unrechtmäßige Verhaftung und der Versuch der Türkei, ihn als “Geisel” zu behandeln, seien “eine lange Kette von Staatskriminalität” gewesen. Weiter schrieb Yücel, er habe lediglich seine Arbeit als Journalist gemacht: “Daran bereue ich nichts. Und früher oder später wird ein Gericht das auch feststellen.”

Der Nachrichtenagentur AFP sagte Yücel, er werde gegen das Urteil in Berufung gehen. “Wir werden natürlich Revision einlegen. Wir haben zehn Tage Zeit dafür, das werden wir ausnutzen”, sagte er. Er werde solange vor Gericht weiter streiten, bis das “rechtswidrige Urteil” gegen ihn aufgehoben sei. Nach Aussagen des Journalisten will die türkische Justiz ein weiteres Strafverfahren gegen ihn eröffnen. Darin werde ihm vorgeworfen, dass er die Türkei und ihre Symbole verunglimpft habe.

Menschenrechtsorganisationen und die Bundesregierung hatten den Prozess gegen Yücel immer wieder als politisch motiviert gewertet. Als erste Stimme der Bundesregierung übte Außenminister Maas anlässlich der Verurteilung in Istanbul Kritik aus. “Das heutige Urteil gegen Deniz Yücel sendet das absolut falsche Signal, und die Ankündigung weiterer Ermittlungsverfahren ist für mich überhaupt nicht nachvollziehbar”, erklärte Maas. Diese Entwicklung trage nicht dazu bei, “Vertrauen in die Anwendung rechtsstaatlicher Grundsätze in der Türkei aufzubauen”.

Kritik an dem Schuldspruch übte auch Amnesty International in Deutschland. “Das heutige Urteil zeigt, dass es in den Beziehungen zur Türkei keine Rückkehr zur Normalität geben kann. Die Bundesregierung bleibt gefordert, die türkische Regierung in aller Deutlichkeit zur Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention aufzufordern”, erklärte die Vizechefin der Menschenrechtsorganisation, Julia Duchrow. 

Auch die Grünen-Politiker Claudia Roth und Cem Özdemir reagierten bestürzt: “Das unfassbare Urteil gegen Deniz Yücel wurde allem Anschein nach im Präsidentenpalast getroffen und ist zugleich ein Urteil gegen Pressefreiheit und Menschenrechte in der ganzen Türkei”, hieß es in einer gemeinsamen Presseerklärung.

Yücel arbeitete als Auslandskorrespondent für die “Welt” in der Türkei, bis er am 14. Februar 2017 wegen seiner Artikel festgenommen wurde. Die Vorwürfe gegen ihn bezogen sich unter anderem auf ein Interview Yücels mit einem Anführer der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). 

Der Journalist kam erst nach einem Jahr in Untersuchungshaft im Februar 2018 frei, er verließ daraufhin sofort die Türkei und kehrte nach Deutschland zurück. Die Staatsanwaltschaft in Istanbul hatte bis zu 15 Jahre und drei Monate Haft gegen Yücel wegen “Volksverhetzung” und “Terrorpropaganda” gefordert.

Das umstrittene Verfahren, das in Abwesenheit von Yücel stattfand, hatte die deutsch-türkischen Beziehungen schwer belastet. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier nannte Yücels Inhaftierung damals einen “Skandal”. Der frühere Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) bezeichnete Yücel als eine “Geisel” des türkischen Präsident Recep Tayyip Erdogan. Der islamisch-konservative Staatschef hatte Yücel öffentlich einen “deutschen Agenten” genannt.

Yücels Verteidiger Veysel Ok hatte einen Freispruch gefordert und dabei auch auf die Entscheidung des türkischen Verfassungsgerichts vom Sommer 2019 hingewiesen. Das oberste Gericht der Türkei hatte damals Yücels Inhaftierung für rechtswidrig erklärt.

Yücel lebt in Deutschland und war dem Prozess ferngeblieben. Seit seiner Freilassung ist der Journalist nicht mehr in der Türkei gewesen.

hg/ju

© Agence France-Presse

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