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Prozess um 'Ndrangheta-Drogenhandel nach Auftakt wegen Corona-Falls unterbrochen

Copyright AFP/Archiv Ina FASSBENDER

Kurz nach seiner Eröffnung ist ein Mammutprozess gegen mutmaßliche Mitglieder und Unterstützer der kalabrischen Mafiagruppierung ‘Ndrangheta am Montag wegen einer Corona-Quarantäne unterbrochen worden. Nach einem positiven Corona-Test bei seiner Mutter warte der Angeklagte Halil B. auf sein eigenes Testergebnis, teilte der Vorsitzende Richter Jens Luge mit. Er unterbrach den Prozess noch vor der Verlesung der Anklage. Bis zur Wochenmitte soll entschieden werden, wann weiter verhandelt wird. Frühestens am Freitag könnte es soweit sein.

In der Nacht bekam das Gericht eine E-Mail von einem Verteidiger B.s, in der dieser mitteilte, dass B.s 73-jährige Mutter am Sonntag positiv auf das Coronavirus getestet worden sei. Auch B. habe sich daraufhin auf das Virus testen lassen, wie er seinem Verteidiger per Whatsapp mitgeteilt habe. Weil das Testergebnis noch nicht vorlag, blieb der 39-jährige Beschuldigte aus Köln dem ersten Verhandlungstag fern.

“Wir wollen und müssen das Verteidigungsrecht aller Angeklagten beachten”, sagte der Vorsitzende Richter Luge. Das Verfahren solle daher nur “gemeinsam mit allen Verfahrensbeteiligten” geführt werden. Die Kammer entschied, das Verfahren gegen B. nicht abzutrennen. Trotz eines “erheblichen Beschleunigungsgebots” müsse auf die Gesundheit aller Beteiligten geachtet werden.

In dem bis Ende kommenden Jahres terminierten Verfahren müssen sich 14 Angeklagte wegen Drogenhandels mit insgesamt 680 Kilogramm Kokain verantworten. Weiter werden den Angeklagten die Bildung und Unterstützung einer kriminellen Vereinigung, Geldwäsche, Betrug, Steuerhinterziehung und Verstöße gegen das Waffengesetz vorgeworfen. Im Fall einer Verurteilung drohen allein für den Tatbestand der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung bis zu 15 Jahre Haft.

Aus Sicherheitsgründen findet der Prozess im Hochsicherheitstrakt des Oberlandesgerichts Düsseldorf statt. Bei den Beschuldigten handelt es sich um italienische, türkische, niederländische, marokkanische, portugiesische und deutsche Staatsangehörige aus ganz Nordrhein-Westfalen, weswegen der Prozess auf Italienisch, Niederländisch und Türkisch übersetzt wird.

“Wir sind dankbar, dass niemand die Akten in Papierform mitgebracht hat”, sagte Luge. “Dann wäre hier kein Platz mehr.” Der Vorsitzende Richter spielte damit auf die 649 Seiten starke Anklageschrift an. Von den 51 darin enthaltenen angeklagten Tatkomplexen betreffen 30 den Handel mit Kokain und fünf den Handel mit Marihuana. Über 400 Kilogramm Kokain wurden demnach transportiert, über weitere 280 Kilogramm sei konkret verhandelt worden. Der Ankaufspreis habe sich auf bis zu 36.000 Euro pro Kilogramm belaufen.

Die Beschuldigten sollen zwischen Januar 2014 und Dezember 2018 Kokain auf dem Luft- und Seeweg aus Südamerika nach Europa geschmuggelt haben. Der Staatsanwaltschaft Duisburg zufolge wurden zur Tarnung der Transporte Unternehmen gegründet, die legale Waren wie Bananen, Reis oder Holz bestellten. Das Rauschgift sei dann getarnt durch die legalen Transporte importiert worden.

Verschiedene Restaurants und Eiscafés hätten als logistische Stützpunkte für den Vertrieb des Kokains gedient. Mit dem Ziel des Versicherungsbetrugs seien Einbrüche in selbige Lokale vorgetäuscht worden. Die Einnahmen aus dem Drogenhandel wurden laut Staatsanwaltschaft zudem nicht versteuert.

Der Prozess findet knapp zwei Jahre nach einer großangelegten Razzia gegen einen Drogenring der italienischen Mafiagruppierung ‘Ndrangheta statt. Anfang Dezember 2018 nahmen Fahnder bei einem internationalen Schlag gegen die Mafia rund 90 Verdächtige in mehreren Staaten fest, 14 davon in Deutschland. An der Operation unter dem Decknamen “Pollino” waren mehrere hundert Fahnder beteiligt. Schwerpunkte in Deutschland waren damals Nordrhein-Westfalen und Bayern.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft füllen die Ermittlungsakten 57 Umzugskartons und die Aufzeichnungen mehrere Terabyte Datenspeicher. Für das Verfahren sind bisher 91 Verhandlungstage angesetzt.

© Agence France-Presse

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