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Neue Regierung im Libanon nach einem Jahr Krise infolge von Hafen-Explosion gebildet

Copyright AFP/Archiv INA FASSBENDER

Mehr als ein Jahr nach der verheerenden Explosion im Hafen von Beirut hat der Libanon eine neue Regierung: Die Einigung wurde nach einem Treffen zwischen dem designierten Ministerpräsidenten Nadschib Mikati und Präsident Michel Aoun am Freitag von der Präsidentschaft verkündet. Das Land befindet sich infolge der Explosionskatastrophe und der folgenden 13 Monate ohne Regierung derzeit in der schlimmsten Krise seiner Geschichte. 

Dem neuen Kabinett gehören auch Mitglieder ohne politischen Hintergrund an, etwa der Direktor des staatlichen Rafik-Hariri-Krankenhauses, Firas Abiad, der sich im Kampf gegen die Corona-Pandemie einen guten Ruf erworben hatte. Die erste Sitzung der 24 Minister umfassenden Regierung soll am Montag um 11.00 Uhr Ortszeit (10.00 Uhr MESZ) abgehalten werden. 

Am 4. August 2020 waren im Hafen von Beirut hunderte Tonnen Ammoniumnitrat in einem Lagerhaus detoniert. Die Explosion machte ganze Stadtteile der libanesischen Hauptstadt dem Erdboden gleich, über 200 Menschen kamen ums Leben. Daraufhin war die Regierung des libanesischen Regierungschefs Hassan Diab zurückgetreten. Vor Mikati waren bereits zwei Kandidaten an der Aufgabe der Regierungsbildung gescheitert, zuletzt der ehemalige Ministerpräsident Saad Hariri. 

Medienberichten zufolge hatten sich die untereinander verfeindeten Parteien monatelang über die Verteilung von Posten gestritten. Der Milliardär Mikati war bereits zweimal Ministerpräsident und gilt vielen als Symbol der Korruption, die in dem Land seit Jahrzehnten herrscht und die die Bevölkerung insbesondere nach der Explosionskatastrophe im Hafen von Beirut gegen die politische Klasse aufgebracht hat. Die juristische Aufarbeitung der Katastrophe stockt. Bislang wurde noch niemand für das auf Behördenversagen zurückgeführte Unglück vor Gericht gestellt.

Das komplexe politische System des Libanon hatte die Regierungsbildung zusätzlich erschwert: Gemäß dem “Nationalen Pakt” von 1943 muss der Ministerpräsident ein sunnitischer Muslim, der Parlamentspräsident ein schiitischer Muslim und der Präsident ein maronitischer Christ sein. Bei dem Treffen von Aoun und Mikati am Freitag war auch Parlamentspräsident Nabih Berri anwesend. 

Die Folgen der Explosion und das politische Chaos haben die bereits seit 2019 herrschende Wirtschaftskrise im Libanon weiter verschärft und zu einer der schwersten weltweit seit 1850 werden lassen. Das Land kämpft unter anderem mit Benzin- und Medikamenten-Engpässen, einer galoppierenden Inflation und hoher Arbeitslosigkeit. 78 Prozent der Bevölkerung leben laut UNO inzwischen unter der Armutsgrenze. 

Der bankrotte Staat kann auch zahlreiche Subventionen und Importe nicht mehr finanzieren. Die internationale Gemeinschaft hat hunderte Millionen Euro Unterstützung zugesagt. Diese sind jedoch an die Bedingung geknüpft, dass der Libanon eine Regierung bekommt, die in der Lage ist, notwendige Reformen umzusetzen. 

Quelle: AFP

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