Ulm TV Nachrichtenportal

Nachwahlbefragungen: Partei von Bulgariens Regierungschef bei Parlamentswahl vorn

Copyright AFP Mahmud TURKIA

In der von der Corona-Krise überschatteten Parlamentswahl in Bulgarien ist die Partei des langjährigen konservativen Regierungschefs Bojko Borissow offenbar mit einem blauen Auge davon gekommen. Borissows Partei Gerb (Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens) wurde am Sonntag laut Nachwahlbefragungen mit etwa 25 Prozent der Stimmen erneut stärkste Kraft. Sie verbuchte aber deutliche Verluste, wohingegen mehrere Protestparteien Zustimmung ernteten.

Laut den Nachwahlbefragungen hätte die Regierungspartei rund neun Prozentpunkte im Vergleich zur Wahl im Jahr 2017 verloren. Für verbreitete Unzufriedenheit der Wähler sprach auch, dass die neue populistische Protestpartei des Sängers und Fernsehmoderators Slawi Trifonow deutlich besser abschnitt als vorausgesagt. 

Laut den Nachwahlbefragungen kam seine Formation namens Es gibt ein solches Land auf 17 Prozent und lieferte sich damit ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit den oppositionellen Sozialisten. Die Bewegung für Rechte und Freiheit der türkischen Minderheit in Bulgarien, die häufig Königsmacherin im Parlament ist, belegte mit elf Prozent der Stimmen den Rang hinter den beiden Partien.

Zwei Parteien, die besonders die Teilnehmer der regierungskritischen Proteste vom vergangenen Jahr angesprochen hatten, kamen insgesamt auf rund 15 Prozent der Stimmen. Es handelt sich um das rechtsgerichtete Bündnis Demokratisches Bulgarien von Hristo Iwanow und das linksgerichtete Bündnis Steh auf! Mafia raus!, das Staatschef Rumen Radew nahesteht. Die Vier-Prozent-Hürde überwand offenbar auch die nationalistische WRMO-Partei, die im Wahlkampf mit einer aggressiven Kampagne Stimmung gegen Roma, Homosexuelle und das Nachbarland Nordmazedonien gemacht hatte.

Borissow ist in Bulgarien seit 2009 fast durchgehend an der Macht. Der Rückhalt für den 61-jährigen Ex-Leibwächter des letzten kommunistischen Staatschefs Todor Schiwkow litt allerdings zuletzt darunter, dass das EU-Land von Korruptionsaffären erschüttert wird und das Corona-Krisenmanagement der Regierung in der Kritik steht. Vergangenes Jahr hatten Proteste das Land erschüttert. Die Demonstranten warfen der Regierung vor, Oligarchen zu protegieren.

“Ich hoffe, den Beginn einer Veränderung dieser langen Zeit zu erleben, in der Bulgarien de facto von nur einer Partei regiert wurde”, sagte die 47-jährige Liliya Boshilowa bei der Stimmabgabe in Sofia. “Ich denke, wir brauchen neue Menschen und neue Gesichter.”

Die Corona-Lage in Bulgarien ist dramatisch. Experten hatten wegen der hohen Infektionszahlen mit einer niedrigen Wahlbeteiligung gerechnet. Wahlurnen wurden auch in Krankenhäusern aufgestellt und Wahlhelfer brachten Wahlurnen zu unter Quarantäne stehenden Stimmberechtigten. 

Ersten Angaben zufolge sank die Wahlbeteiligung nicht so stark wie befürchtet. Bis 17.00 Uhr Ortszeit (16.00 Uhr MESZ) gaben laut Wahlkommission fast 40 Prozent der Wähler ihre Stimme ab – 2017 waren es zur selben Tageszeit rund 42 Prozent. Der Urnengang sei “gekennzeichnet von der Mobilisierung jüngerer, urbanerer Wähler”, erklärte Boriana Dimitrowa vom Forschungsinstitut Alpha.

Borissow gab sich nach seiner Stimmabgabe, bei er keine Journalisten zuließ, demütig. “Ich habe immer berücksichtigt, was das Volk entscheidet”, versicherte er. “Lasst die Wahl ehrlich sein.” Im Online-Netzwerk Facebook betonte Borissow, die “immense Unterstützung” durch die Regierungen anderer EU-Länder zeige “die Bedeutung einer stabilen europäischen Regierung in Bulgarien”.

Präsident Radew erklärte, er habe “gegen die Zerstörung der Rechtsstaatlichkeit gestimmt”. Das Staatsoberhaupt hatte die regierungskritischen Proteste im vergangenen Jahr unterstützt und ist selbst ein vehementer Kritiker Borissows.

Die Bekanntgabe des offiziellen Wahlergebnisses könnte sich mehrere Tage hinziehen. Spätestens am Donnerstag soll es von der Wahlkommission verkündet werden.

Quelle: AFP

Aktuelle Beiträge

Exklusiv Interviews

Melden Sie sich für unseren Newsletter an

Ihre E-Mail-Adresse wird nur für Werbe-E-Mails und kritische Nachrichtenankündigungen verwendet.