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Gesundheit von Zeitarbeitern leidet stärker als bei anderen Arbeitnehmern

Foto: AFP

Zeitarbeiter haben deutlich mehr gesundheitliche Probleme als reguläre Arbeitnehmer. Sie sind länger krankgeschrieben und auch psychisch stärker belastet, wie aus dem am Dienstag veröffentlichten Gesundheitsreport der Techniker Krankenkasse (TK) hervorgeht. So waren Zeitarbeitnehmer 2019 im Schnitt 20,6 Tage krankgeschrieben. Das sind mit knapp sechs Tage oder rund 40 Prozent mehr im Vergleich zu regulären Arbeitnehmern, die im Schnitt 14,7 Fehltage hatten.

Grund für die hohe Zahl von Fehltagen sind vor allem die körperlich anstrengenden Jobs in Lager, Logistik und Transport, in denen Zeitarbeiter überdurchschnittlich häufig beschäftigt sind. Rund 40 Prozent der Zeitarbeitnehmer in Deutschland arbeiten in diesen oder anderen Produktionsberufen. Doch selbst wenn diese berufsspezifischen Faktoren berücksichtigt werden, haben Zeitarbeitnehmer immer noch rund 16 Prozent höhere Fehlzeiten als andere Zeitarbeitnehmer.

Die körperliche Belastung zeigt sich vor allem in der hohen Zahl von Fehltagen aufgrund von Muskel-Skelett-Erkrankungen. Wegen Rückenschmerzen und ähnlicher Leiden fehlten Zeitarbeiter im vergangenen Jahr durchschnittlich 4,38 Tage – und damit rund 70 Prozent mehr als anderweitig Beschäftigte mit 2,57 Tagen.

Auch die Psyche leidet offenbar stärker. Zeitarbeiter waren im vergangenen Jahr aufgrund psychischer Diagnosen mit 3,52 Fehltagen fast einen Tag mehr krankgeschrieben als der Durchschnitt der übrigen Beschäftigten mit 2,57 Tagen. Zudem bekamen Zeitarbeiter pro Kopf rund ein Viertel mehr Psychopharmaka verordnet.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) forderte einen besseren Gesundheitsschutz für Leiharbeiter. Die Ergebnisse seien ein “Zeichen dafür, dass in der Branche noch viel verbessert werden muss”, erklärte DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell in Frankfurt am Main. Insbesondere die höhere Zahl psychischer Störungen lasse sich laut Autoren mit schlechteren Arbeitsbedingungen erklären.

Die Arbeitsmarkt- und Arbeitsrechtsexpertin der Grünen-Fraktion im Bundestag, Beate Müller-Gemmeke, nannte die Erkenntnisse ein “Alarmsignal, das nicht weiter ignoriert werden darf”. Deshalb müsse Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) tätig werden und die Bedingungen verbessern. Dazu gehöre auch ein gleicher Lohn.

Der Report beruht auf der Auswertung der Krankschreibungen und Arzneimittelverordnungen der rund 72.000 bei der TK versicherten Zeitarbeitnehmer. Zudem wurden mehr als 1400 Zeitarbeiter im Herbst 2019 befragt.

Insgesamt geht es den Zeitarbeitern demnach heute besser als bei einer ähnlichen Befragung vor elf Jahren. Allerdings geben nach wie vor knapp 44 Prozent der Zeitarbeitnehmer an, dass sie “kaum” oder “überhaupt nicht” mit ihrer Arbeitssituation zufrieden sind. Als Gründe für die körperlichen und psychischen Belastungen am Arbeitsplatz zählen vor allem eine schlechte Arbeitshaltung, Lärm, Schichtarbeit, lange Bildschirmarbeitszeit sowie lange Anfahrtswege.

Vor dem Hintergrund der angespannten wirtschaftlichen Lage aufgrund der Corona-Pandemie erhalten die Ergebnisse nach Ansicht von TK-Chef Jens Baas “eine zusätzliche Dringlichkeit”. Zeitarbeiter seien meist die Ersten, die ein Unternehmen bei wirtschaftlichen Engpässen verlassen müssten. “Das kann sich auch negativ auf das psychosoziale Befinden auswirken und vorhandene Probleme verstärken”, warnte Baas.

Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit gab es im Jahresdurchschnitt von Juli 2018 bis Juni 2019 in Deutschland 881.000 sozialversicherungspflichtig beschäftigte Zeitarbeitnehmer. In den vergangenen Jahren gab es gesetzliche Änderungen, um die Benachteiligung gegenüber Festangestellten auszugleichen. Dazu zählt das Anrecht auf gleiches Lohnniveau nach neun Monaten wie regulär Beschäftigte im betreffenden Betrieb.

bro/cfm

© Agence France-Presse

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