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"Immer gegeneinander": Laschet verabschiedet sich mit bitterem Fazit

Die CDU verschleißt ihre Vorsitzenden inzwischen in einem Tempo, das man bislang eher von der SPD kannte. Seit gerade einmal neun Monaten steht CDU-Chef Armin Laschet an der Spitze der Partei – am Donnerstag dann erklärte der gescheiterte Kanzlerkandidat seine Bereitschaft zum Rückzug. Sein Ziel sehe er nun noch darin, unter den Anwärtern für seine Nachfolge einen Konsenskandidaten zu bestimmen, um die “ständigen Personaldebatten” in der CDU zu beenden, sagte Laschet.

Wie lange er noch im Amt bleibt, blieb am Donnerstagabend offen. Klar ist aber, dass Laschet geht. Er will die Partei aber in einem geordneten und geeinten Zustand einem Nachfolger oder einer Nachfolgerin hinterlassen.

Es hörte sich an wie ein letzter Dienst an der Partei, die ihn zuletzt nicht immer gut behandelt hat. Denn Laschet hatte es in seiner kurzen Amtszeit nie vermocht, Zweifel an seiner Eignung für die höchsten Ämter der Bundespolitik auszuräumen. 

Anders als sein unionsinterner Rivale Markus Söder von der CSU vermied Laschet die allzu offensive Zurschaustellung von Machtwillen, Gestaltungsdrang und Amtsautorität. Sein Stil kam bei den Wählern nicht an – und auch in der eigenen Partei nicht. 

Am Donnerstagabend berichtete Laschet von seinen Erfahrungen als CDU-Chef. Sie seien von ständigen Personalquerelen geprägt gewesen: “Immer gegeneinander, immer in wechselnden Besetzungen.” Die künftige CDU-Führung müsse sich viel stärker am Konsens orientieren, mahnte er.

Laschets Unterstützer hatten anfangs noch auf seine große Integrationskraft verwiesen, die ihn für den Kanzlerjob prädestiniere: Laschet führe Menschen und Meinungen zusammen, baue Brücken in einer zunehmend polarisierten Gesellschaft. Sie deuteten Laschets Zurückhaltung als Stärke und verwiesen auf die Stabilität seiner politischen Grundüberzeugungen. 

Doch Laschets Unterstützer in der CDU wurden bereits vor der Wahl immer weniger – dem dramatischen Vertrauens- und Ansehensverlust des Kanzlerkandidaten vermochten sie nichts entgegenzusetzen. Laschet stolperte zunehmend einsam durch den Wahlkampf – und es half ihm nicht, dass er für viele CDU-Anhänger ein Kanzlerkandidat zweiter Wahl war. 

Denn CSU-Chef Söder gerierte sich als eine Art Schattenkandidat, als einer, so die Botschaft aus München, der Laschet klar überlegen wäre. Aus dem Machtkampf mit dem CSU-Chef um die Kanzlerkandidatur hatte Laschet Blessuren davongetragen. Das Duell der beiden Unionschefs hatte offenbart, dass Söder nicht stark genug war, ihm die Kandidatur zu nehmen – dass Söders Stärke aber durchaus ausreichte, Laschet als schwach erscheinen zu lassen.  

Zu den eigenen Ungeschicklichkeiten und zu den Sticheleien aus München kam hinzu, dass Laschet auch das Opfer einer dramatisch verfehlten Wahlkampfkalkulation seiner Parteizentrale ist. 

Zu spät merkte sie, dass das unter Angela Merkel erfolgreich erprobte Wahlkampfmodell mit dem Kandidaten Laschet nicht aufging: Wenig konkrete Inhalte, möglichst nicht polarisieren, keine Angriffsfläche bieten. Laschets Kandidatur kollabierte, und hinter ihm wurde eine inhaltlich entkernte Partei sichtbar, die wenig Attraktives zu bieten hatte. 

Partei, Botschaft und Kandidat – es passte nichts zusammen. “Die Kampagne basierte ja letztlich auf der Annahme von Kontinuität: Vertrauen in die Regierungspartei Union und ihres Spitzenmanns”, sagte der Parteienforscher Thorsten Faas von der Freien Universität der Nachrichtenagentur AFP. “Das Agieren von Laschet – auch, aber nicht nur in der Flut – führte aber zu Vertrauens- und Ansehensverlusten.” 

Wie geht es nun weiter für Laschet? Seinen Posten als Ministerpräsident des bevölkerungsreichsten Bundeslands Nordrhein-Westfalen gibt er ab, den CDU-Vorsitz wird er demnächst höchstwahrscheinlich ebenfalls verlieren, das Kanzleramt ist für ihn in weite Ferne gerückt. Was ihm bleiben wird, ist das Bundestagsmandat, das er bei der Wahl gewonnen hat – als einer von 196 Unionsabgeordneten.

Quelle: AFP

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