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Europäisches Menschenrechtsgericht hält Impfpflicht für rechtens

Copyright AFP/Archiv Christof STACHE

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hält eine Impfpflicht für rechtens. “Die Maßnahmen können in einer demokratischen Gesellschaft als notwendig angesehen werden”, urteilte das Gericht am Donnerstag nach einer Klage mehrerer Familien gegen die in Tschechien bestehende Impfpflicht für Kinder. Die tschechische Gesundheitspolitik sei im “besten Interesse” der Kinder, urteilte das Gericht. 

“Das Ziel muss sein, dass jedes Kind gegen schwere Krankheiten geschützt ist, durch Impfung oder durch Herdenimmunität”, führte das Gericht weiter aus. Die Impfpflicht sei deshalb keine Verletzung von Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens).

In Tschechien müssen Kinder verpflichtend gegen neun Krankheiten wie Diphtherie, Tetanus, Keuchhusten, Hepatitis B und Masern geimpft werden. Mehrere Eltern, die wegen Verstoßes gegen die Impfpflicht eine Geldstrafe zahlen mussten oder deren Kinder nicht in den Kindergarten aufgenommen wurden, hatten dagegen geklagt. Die tschechischen Fälle reichen in die Jahre 2013 bis 2015 zurück.

Das Gericht war jedoch der Auffassung, dass die Impfpflicht verhältnismäßig sei. Die tschechischen Behörden verfolgten “das legitime Ziel, die Gesundheit sowie die Rechte anderer zu schützen”, befand das Gericht. “Die Impfung schützt sowohl jene, die sie erhalten, als auch jene, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können und daher auf die Herdenimmunität zum Schutz vor schweren ansteckenden Krankheiten angewiesen sind.” Die Entscheidung wurde von der Großen Kammer des Gerichts getroffen und kann nicht angefochten werden.

Es ist das erste Urteil des EGMR zu einer Impfpflicht für Kinder. Experten zufolge könnte es Auswirkungen auf die derzeit vielerorts laufenden Corona-Impfkampagnen haben. Um die Corona-Pandemie einzudämmen, ist eine sogenannte Herdenimmunität notwendig. Zugleich stehen einige Menschen einer Impfung jedoch skeptisch gegenüber. In einigen Staaten wird deshalb über eine Impfpflicht diskutiert.

“Dieses Urteil stärkt die Möglichkeit einer Impfpflicht unter den Bedingungen der aktuellen Covid-19-Epidemie”, sagte der Rechtsexperte Nicolas Hervieu von der Sciences Po in Paris der Nachrichtenagentur AFP. Mit dem Urteil räume das Gericht den Staaten bei ihrer Impfpolitik einen “Ermessensspielraum” ein.

Mit seiner Entscheidung befürworte das Gericht außerdem “das Prinzip der sozialen Solidarität, das es rechtfertigen kann, die Impfung allen aufzuerlegen, auch jenen, die sich von der Krankheit weniger bedroht fühlen – solange es um den Schutz der am meisten gefährdeten Menschen geht”, erklärte Hervieu.

Quelle: AFP

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